Der Fachschaftsrat Jura Hannover hat sich auf seiner außerordentlichen Sitzung am 12.05.2014 ein Hochschulpolitisches Leitbild gegeben. Die Sitzung dauerte ca. 3 Stunden, aber im Ergebnis steht ein Programm, auf das sich die Mitglieder des Fachschaftsrats einstimmig einigen konnten.
Ziel der Aktion war es, zum einen gegenüber möglichen Nachfolgern des derzeitigen Uni-Präsidenten eine eigene inhaltliche Position zu entwickeln. Zum anderen wird hier deutlich und für alle Studierenden sichtbar, was aus Sicht des FSR Jura auf gesamtuniversitäter Ebene an Verbesserungspotential besteht.
Es folgt nun das gesamte Leitbild.
Hochschulpolitisches Leitbild des FSR Jura Hannover
Wahlperiode 2014/2015
– Gesamtuniversitäter Teil –
Gleichberechtigung der Studiengänge
Die Universität Hannover ist eine technische Universität. Nicht nur aus der Historie geht das hervor, sondern auch aus der Aufmerksamkeit, die einzelne Studiengänge seitens der Universitätsleitung bekommen haben. Dass nun erstmals seit 1978 ein Geisteswissenschaftler die Universität leiten soll, begrüßt der FSR Jura ausdrücklich. Darüber hinaus begrüßt es der FSR Jura, dass ein geisteswissenschaftlicher Forschungsschwerpunkt geschaffen werden soll. Dieser Prozess soll vorangetrieben werden. Die Universität sollte sich auch in ihrer Außendarstellung nicht nur als technische, sondern auch als geisteswissenschaftliche Universität verstehen.
Das bedeutet aus unserer Sicht nicht nur eine weitere Stärkung von Massenstudiengängen wie WiWi oder Jura, sondern auch eine Stärkung und Aufwertung von kleineren Studienrichtungen, besonders in verdrängten Feldern der Sozialwissenschaft.
Der mögliche geisteswissenschaftliche Schwerpunkt der Uni wird „Wissenschaftsreflexion“ sein. Daher dürfen kritische Studiengänge und Lehrende nicht verdrängt werden. Darüber hinaus würde es zu diesem Forschungsschwerpunkt passen, dass an den Fakultäten oder in den Studiengängen einzelne Kurse angeboten werden, die einen kritischen Umgang mit dem Erlernten fördern.
Besonders wichtig ist die Gleichberechtigung aber bei der Vergabe der Mittel, insbesondere der Studienqualitätsmittel. Hier darf es zu keiner weiteren Benachteiligung der Geisteswissenschaften kommen. Es ist klar, dass Naturwissenschaften deutlich kostenintensiver in Forschung und Lehre sind. Daher ist eine gewisse Konzentration von Mitteln auf dieses Feld auch nur gerecht und erwünscht.
Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Geisteswissenschaften von den Studienqualitätsmitteln abgeschnitten werden. Bereits jetzt müssen an der Philosophischen Fakultät einige Studierende Skripte und Reader selbst bezahlen. Für die Studierende ist das mit enormen Kosten verbunden, die vom Gesetzgeber so nicht gewollt sind. Studienqualitätsmittel sollten daher sparsam, gerecht und studierendenfreundlich verteilt werden. Auf die Studierenden dürfen keine weiteren Kosten umgelagert werden. Daher sollten die Geisteswissenschaften, trotz bereits sehr geringer Kosten, nicht weiter kaputt gespart werden. Hier muss eine Qualitätsoffensive in sämtlichen Bereichen stattfinden, um die geisteswissenschaftlichen Disziplinen an der Universität Hannover in Niedersachsen konkurrenzfähig zu erhalten.
Studentische Mitbestimmung
Die studentische Mitbestimmung in den akademischen Gremien ist an einigen Punkten verbesserungswürdig. Es ist erklärtes Ziel der Landesregierung die Hochschulen zu demokratisieren. Die Uni Hannover hat mit der Besetzung der Studienqualitätsmittelvergabekommission einen guten Weg beschritten und sollte diesen auch weiter beschreiten.
Die Vertreter*innen in den akademischen Gremien genießen ein hohes Maß an Legitimation, da sie direkt gewählt werden (Senat, Fakultätsrat). Mitglieder, die auf Vorschlag der studentischen Mitglieder im Senat oder Fakultätsrat gewählt werden, sind nur äußerst gering durch die Studierendenschaft legitimiert (StuKo, Lehrkommission etc.). Das NHG schreibt der Universität kein Verfahren zur Benennung der studentischen Mitglieder vor. Ein Verfahren, nach dem ein demokratisch legitimiertes Organ der Studierendenschaft (StuRa, FSR) die studentischen Mitglieder wählt, würde hingegen zur Demokratisierung der Hochschule beitragen.
Problem der studentischen Mitglieder in den akademischen Gremien ist häufig nicht, dass diese nicht ernst genommen werden oder dass diese keine Mitbestimmungsrechte hätten. Vielmehr fehlt es den Studierenden häufig an Zeit, vor allem aber an Ressourcen. Während sich Präsidium oder Dekanat auf einen Stab an Mitarbeiter*innen stützen können, sind studentische Vertreter*innen häufig Einzelkämpfer*innen. Die Schaffung einiger weniger personeller Ressourcen zur Unterstützung der Senator*innen und Fakultätsräte und/oder die Bereitstellung einer geringen Aufwandsentschädigung würde die Arbeit der Studierenden professionalisieren und ggf. zu einer breiteren Akzeptanz der Beschlüsse in der Studierendenschaft beitragen.
Das NHG legt die Verteilung der Mitglieder des Fakultätsrats faktisch fest. Im Senat ist dies nicht der Fall. Eine Erhöhung der studentischen Senatsmitglieder würde die einzelnen Mitglieder entlasten und zu einer fairen Stimmverteilung führen. Aber auch die Fakultätsräte könnten dadurch für die Studierenden zugänglicher gemacht werden, indem § 45 Abs. 2 S. 1 NHG weiter ausgelegt wird, als dies derzeit häufig geschieht und die Studienkommission häufiger zusammentritt, um über die Vorschläge des Fakultätsrats zu beraten. Mindestens aber sollten die studentischen Vertreter*innen im Fakultätsrat und Senat deutlich früher als einen Tag vor der Sitzung (Statusgruppentreffen) über die anstehenden Sitzungen informiert werden, um sich mit den anderen Studierenden rückkoppeln zu können.
Ein wichtiger Schritt bei der Reformierung des Präsidiums wäre die Einrichtung eines studentischen Präsidiumsmitglieds, wie es andere Hochschulen bereits getan haben. Da das NHG dem Präsidium eine große Machtfülle überlässt, erscheint es nur gerecht, auch Studierende an den Entscheidungen zu beteiligen.
Teilzeitstudium
Viele Studierdene müssen ihren Lebensunterhalt neben dem Studium erwirtschaften. BAföG reicht oft nicht, vor allem dann, wenn Eltern nicht für den Unterhalt aufkommen wollen oder wenn man über der Regelstudienzeit ist. Wenn dann noch Fristen in den Prüfungsordnungen hinzutreten, droht ein Studium schnell zu scheitern. Daher soll in Studium eine berufliche Tätigkeit konsequent berücksichtigt werden und sich insbesondere in Prüfungsordnungen wiederfinden. Darüber hinaus sollen nach Möglichkeit arbeitnehmer*innenfreundliche Vorlesungszeiten ermöglicht werden.
Studieren mit Kind
Studierende mit Kindern sollen von der Universitätsleitung besonders berücksichtigt und gefördert werden. Auch in den Prüfungsordnungen muss sich das wiederfinden. Besonders für Kleinkinder sollen Betreungsangebote vor Ort geschaffen werden.
Faire Prüfungsordnungen
Es kann nicht Ziel von Prüfungsordnungen sein, möglichst viele Studierende auch im späteren Verlauf des Studiums herauszufiltern, besonders nicht mit häufig fachfremden Prüfungen (Mathe). Stattdessen sollen Angebote zur Selbsterkenntnis der Studierenden beitragen, ob ein Studiengang ihren Vorlieben und Leistungen entspricht. Studiengänge müssen ausreichend Kapazitäten haben, um die derzeit Studierenden, besonders in höheren Semestern, weiter auszubilden und nicht auf Abbrecherquoten vertrauen, bzw. diese gezielt herbeiführen.
Eine automatische Anmeldungen für Klausuren soll nicht stattfinden. Stattdessen sollen Studierende selbst entscheiden, wann sie auf einen bestimmten Stoff geprüft werden. Klausuren sollen in der Regel auch zurückgegeben werden.
Anwesenheitslisten
Zum Akzeptieren der verschiedenen Lebens- und Lernentwürfen in der Studierendenschaft gehört es, dass manche Studierende zuhause lernen, manche diesen Teil des Studiums in einem anderen Semester ablegen wollen und andere schlicht keine Zeit haben, weil sie für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen. Ziel der Klausuren und mündlichen Prüfungen soll es sein, das Lernziel zu kontrollieren. Anwesenheitspflicht für Vorlesungen ist kein zusätzlicher Gewinn.
Gleichstellung und Gleichberechtigung
Gerade auf Lehrpositionen sind Frauen weiterhin unterrepräsentiert. Daher soll die Geschlechterverteilung ein gleichberechtigtes Kriterium bei der Berufung neuer Professor*innen werden. Beratungsangebote gegen sexuelle Belästigung sollen ausgebaut werden und von der Unileitung thematisiert werden.
Barrierefreieheit
Die Universität soll barrierefrei werden. Bestehende Angebote sollen ausgebaut werden und neue Angebote dringend geschaffen werden. Studieren mit Behinderung darf kein Handicap sein.
Friedliche Universität
Die friedriche Forschung, wie im Leitbilder der Universität kürzlich verankert, soll weiter verfolgt werden. Mindestens muss aber in jedem Forschungsprojekt eine eventuelle Beteiligung der Rüstungsindustrie oder der Bundeswehr offengelegt werden und den Studierenden echte Alternativen präsentiert werden.
Universität als Lebensraum
Die Universität dient vielen nicht nur als Lern-, sondern auch als Lebensraum. Viele Studierenden verbringen sehr viel Zeit auf dem Campus. Dem sollte Rechnung getragen werden und dafür gesorgt werden, dass genügend Erholungs- und Entspannungsflächen angeboten und geschaffen werden. Bestehende Angebote sollen nicht der Raumnot zum Opfer fallen. Die Contine muss, innerhalb ihrer bestehenden Raumkapazitäten, an de erhöhte Frequentierung durch die Studierendenschaft angepasst werden. Insbesondere ist eine Installation einer Lüftungsanlage dringend erforderlich.
Studentische Freiräume
Auch die von Studierenden verwalteten Freiräume sollen erhalten bleiben. Das gilt besonders für Einrichtungen wie die hanOMacke. Eine Universität profitiert von einem entspannten Lern- und Arbeitsklima, für das hier ehrenamtliche Studierende sorgen. Eine ideelle und ggf. finanzielle Unterstützung der Vorhaben Studierender erscheint notwendig. Auch bei der Raumvergabe müssen studentische Interessen Berücksichtigung finden.Studentische Initiativen und Gruppen sollen auch weiterhin die Räumlichkeiten der Universität benutzen dürfen und leichter dazu Zugang haben. Sorgen um den eigenen Fortbestand sollten der Vergangenheit angehören.
Semestercard
Die Leitung der Uni sollte zusammen mit der Studierendenschaft ein Konzept für eine Semestercard entwickeln. Angebote der Studierendenschaft (Semesterticket), der Universität (Hochschulsport, Immatrikulationsausweis, Bibiliotheksausweis, Copy-Card) und des Studentenwerks (Mensa-Card) müssen in einer Karte gebündelt werden.
Universität als Arbeitgeber
Studentische Hilfskräfte sollen eine Personalvertretung auf universitärer Ebene bekommen. Darüber hinaus müssen Promovierende eine gesicherte Vergütung durch Arbeitsstellen haben, die den Lebensunterhalt abdecken kann. Es muss sichergestellt werden, dass genügend Zeit für die Promotion zur Verfügung steht.
Offene Bibliotheken erhalten – Arbeitsplätze schaffen
Die Bibliotheken der Uni sind öffentlich. Das soll auch so bleiben. Trotzdem muss gegen die Platznot (gerade am zentral gelegenen Königsworther Platz) etwas unternommen werden. Zusammen mit der Bibliotheksleitung sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden und bestehende Konzepte hinterfragt werden.
Die hohe Frequentierung, auch durch fachfremde Studierende, der Bibliothek am Königsworther Platz zeigt, dass diese übermäßig beliebt ist. Dies zeigt zum Einen, dass die FBK sehr gut ausgestattet ist und eine positive Lernatmosphäre bietet. Auf der anderen Seite zeigt sich hierbei jedoch auch, dass diese Eigenschaften viele andere Fachbibliotheken vermissen lassen. Der Qualitätsstandard in den verschiedenen Uni-Bibliotheken muss also insgesamt angehoben werden, um eine angemessene Aufteilung der Studierendenschaft auf die verschiedenen Standorte wiederherzustellen.
Moderne Lehre durch moderne Infrastruktur
Die so genannten “neuen Medien” sind gar nicht mehr so neu. Zeit, dass deren Vorzüge auch der Lehre zugute kommen. Es soll allen Lehrenden freistehen, ihre Vorlesungen aufzuzeichnen. Dazu muss die passende Infrastruktur geschaffen werden. Der Einsatz von elektronischen Semesterapparaten soll ausgebaut werden.
Bildungsgebühren
Bildungsgebühren sind Studienhindernisse. Das heißt, dass sich die Uni Hannover für die Abschaffung der Langzeitstudiengebühren aussprechen sollte, weil diese den Lebensentwürfen vieler Menschen nicht gerecht werden. Studieren mit Kind, mit Arbeit oder mit Behinderung wird so erschwert. Der Aufwand der Erhebung lohnt darüber hinaus auch finanziell nicht.
Bologna und Zugang zu Bildung
Größter Effekt des Bologna-Prozesses sind die Probleme, die durch zulassungsbeschränkte Master-Studiengänge entstehen. Ein Bachelor-Studienabschluss reicht häufig auf dem Arbeitsmarkt nicht aus, besonders dann, wenn dieser im unteren Notenfeld angesiedelt ist. Daher dürfen Studierende nicht nach dem Bachelor-Abschluss ausgesiebt werden. Stattdessen muss ein NC-freier Masterstudienplatz garantiert werden. Das bedarf auch der Unterstützung des Landesgesetzgebers, aber hier sollte sich die Uni klar positionieren.
Schließung von Studiengängen
Die Schließung von verschiedenen Studiengängen wird sich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen. Fraglich ist jedoch wie eine solche Schließung gegenüber den Betroffenen, also Studierenden und Dozierenden vermittelt wird. In der Vergangenheit lassen sich viele Beispiele finden, in denen die Betroffenen sich oftmals vor den Kopf gestoßen fühlten, da vorher nie mit ihnen über eine eventuelle Schließung gesprochen wurde. Hier sollte das Uni-Präsidium in Zukunft behutsamer vorgehen, sowie frühzeitig die weitere Beschäftigung der Dozierenden und ihrer Lehrstuhlangehörigen planen.
Interdisziplinäre Studiengänge
Interdisziplinäre Studiengänge sind an der LUH bisher eine Seltenheit. Der Ausbau dieser ist wünschenswert. Angebote wie die von der Uni Osnabrück sind zu evaluieren.